Startbilanz – so mittel. Dann sitzt man abends am Tisch in dieser ganz bestimmten Art von AirBnB Wohnung die ganz ohne Kochutensilien auskommt, die Stimmung ist mittelmäßig beschissen und alle fragen sich; woran hats gelegen? Um nachzuvollziehen, wie wir an diesen Punkt gekommen sind, hier ein destruktiv-therapeutischer Rückblick. Die Ankunft in Istanbul ist gekennzeichnet von dem Gefühl das man hat, wenn man sich schon so lange innerlich auf einen Moment vorbereitet, dass man irgendwann vergisst, ob man sich jetzt freut oder nicht. Und dann kommt er (endlich) und man ist erstmal ein bisschen leer. Kurzer Spaziergang, Lahmacun bestellt, ein Bier getrunken, kurzer Smalltalk wie so die letzten Monate so waren (das meiste wissen wir eh schon) und ab ins Bett bzw. in meinem Fall Sofa. Ab dann beginnt ein Absprachegewitter. Mehr oder weniger täglich müssen Menschen von oder zum Bahnhof/Flughafen gebracht werden und Treffpunkte müssen abgesprochen werden, während Erasmus Alltag auf mittelmäßigen Kontaktenthusiasmus von Jonas & Louis trifft.

Mit Theo, Anja und Anna im Boot kann dabei eigentlich nur auf der Fähre durchgeatmet werden. Nicht falsch verstehen, dabei passiert auch viel Schönes, aber so richtig Leichtigkeit kommt nicht auf. Und dann steht Geburtstag an, mein persönlicher garantierter Stresstag des Jahres. Mit viel Unterstützung und Geschenken endet der glücklicherweise leicht angetrunken auf der Straße in Kadıköy, mit einem Louis der auf einmal alle Zurückhaltung fallen lässt und am liebsten das ganze Viertel in unser zugegeben geräumiges AirBnB eingeladen hätte. Während die Sonne langsam über dem Bosporus aufgeht, und ich Anna mit dem geborgten Roller zum Bus bringe, wird es langsam ernst. Rechnungen müssen beglichen werden, Zimmer ausgeräumt, Autos gepackt und Freunde verabschiedet werden. Und auf einmal sitzt man dann in einem stickig-heißen Auto, in dem jeder Kubikzentimeter mit Mensch oder Gepäck vollgestopft ist, und hat dann dasselbe Gefühl wie bei der Ankunft – Leere. Nur diesmal mit einem Hauch Melancholie. Zum ‚Durchatmen‘ kurz nochmal mit dem Zug (Marmaray) zurück in die Stadt, die vergessene Kamera abholen. Und dann ist man auf einmal raus aus der Stadt, die ich für 4,5 Monate so gut wie nicht verlassen hat. Aber jetzt geht die Auseinandersetzung erst richtig los. Was nämlich beim Freizeitstress in Istanbul untergangen ist: wir haben keine Ahnung, wo wir jetzt hinfahren. Dazu kommt, dass dieses Projekt hier ein bisschen auf Abwege geraten ist. All unsere Zoom Meetings konnten uns nicht davor schützen einen Instagram Account zu eröffnen, der jetzt wie ein Holzsplitter im Fuß, besonders dann anfängt zu nerven, wenn man an ihn denkt.

Mit Theo im Gepäck lässt sich das gerade noch überspielen, einfach mal geradeaus, immer am Meer lang. Adana, Kumru und Kokoreç tun ihr Bestes uns von der Einsicht abzulenken, aber langsam brodelt es. Und langfristig ist diese Art der Ernährung nicht durchzuhalten. Zu viele offene Fragen und zu wenig Platz im Auto. Besser wird die Situation auch nicht dadurch, dass wir ständig Kameras – aus unserem unendlichen Vorrat an Kameraequipment – auf den Boden werfen, Birkenstock-Splitting betreiben, oder unangenehme Ausschläge das Bewegungstempo reduzieren. Es kommt was kommen muss, Theo flieht per Fernbus, und was bliebt ist das Gefühl einer verschleppten Konfrontation. Die Wut deutet zwar erst auf einen Faustkampf neben den Mülltonnen hin, aber dafür sind wir leider/glücklicherweise zu langweilig. Spießig wie wir anscheinend sind, setzten wir uns an den Tisch, tauschen Argumente aus und schlagen Problemlösung vor. Dabei eine kleine Nebenerkenntnis. Konflikte zu lösen ohne ein gewisses Maß an Ignoranz, Unverständnis oder zumindest mal undifferenzierten Beleidigungen, kann unerträglich unbefriedigend sein. Zum Ausgleich Paintball zu spielen, überzeugt mich noch nicht – klingt irgendwie nach den USA.

Spoiler: der Faustkampf wäre vielleicht besser gewesen! Es kommt nämlich noch ein Streit Teil 2, und wenn ich ehrlich bin, glaube ich das davon noch ein paar folgen werden. Aber bevor uns jetzt jemand unterstellt, wir hätten keine gute Zeit, der irrt. Um euch das zu beweisen haben wir bestimmt 1000 Bilder gemacht, auf denen wir glücklich aussehen.