Ich kann nicht genau sagen ob es an uns lag, oder an der Schwarzmeerküste, aber seitdem wir das grün hinter uns gelassen haben geht es uns deutlich besser. Unsere wichtigste Beobachtung der Küste hat leider nichts mit der Region zu tun, sondern mit unserer Fähigkeit Probleme zu lösen. Die ist nämlich trotz fehlender Sprachkenntnisse einigermaßen beeindruckend. Runtergeworfene Kameras wurden ersetzt, Dachgepäckträger angeschraubt und verlorene Portemonnaies wieder eingesammelt. Leider hat das auch all unsere Zeit in Anspruch genommen, weswegen wir, trotz unserer Krisenprofessionalität, in Zukunft davon absehen wollen neue Probleme zu erzeugen. Das hat den großen Vorteil, dass wir jetzt tatsächlich angefangen haben uns Dinge anzuschauen. Nach einem Abendbrot, von dem hoffentlich nochmal jemand anders ausführlich berichtet, wurde harmonisch das Zelt aufgebaut. Und auch wenn die Nacht nicht unbedingt viel Schlaf gebracht hat, war die Stimmung so gut, dass wir endlich bereit waren für Kultur. Unsere ausgeprägte Unwissenheit über Religion, hat zwar das Sümela Kloster nicht verändert, aber die Aussicht war schön, die Höhlenmalereinen waren schön und es gab informative Videos über Jesus und Co. Top Deluxe Erfahrung.

Danach folgte direkt die nächste Offenbarung (anscheinend ist doch etwas hängen geblieben vom Kloster). Umso weniger vor dem Fenster passiert, desto mehr schauen wir raus. Und gefühlt nimmt auch mit jedem Blick nach draußen die Spannung zwischen uns ab. Dabei hilft auch das Handsurfen aus dem offenen Fenster. Keine Ahnung, warum sich gerade im nirgendwo, auf einer nahezu leeren Straße. Das Internet ist voll von diesem on-the-road Gefühl, kitschigen und sinnentleerten Alibi-Erkenntnissen über Freiheit und diesen ganz schlimmen Bildern, bei denen sich Menschen von hinten fotografieren lassen, während sie in die Ferne schauen – #fuckyou. Doch die Ursache das wir in dieses Gefühl verliebt sind, ist vielleicht gerade die Abwesenheit von Dingen wie Selbstdarstellung und Gedanken an andere - dass wir endlich mal im Moment ankommen. Umso gemeiner, genau dieses unschuldige Bedürfnis nach diesem Gefühl zu benutzen, um Minderjährigen ein chronisches Konsumbedürfnis anzutrainieren. Aber moralische Red Flags existieren im Internet glaube ich mittlerweile auch nur noch als performativer Hashtag. Sophie Passmann ist da etwas auf der Spur, wenn sie sagt das Internet hat ihr Leben schlechter gemacht. Na klar online Banking und Google Maps sind top, keine Frage, aber seit mindestens 7 Jahren denke ich beim Internet nur noch an Telegramm Gruppen von sächsischen Nazipolizist:innen, Menschen die per Whatsapp verkauft werden und absolut alles was mit Instagram zu tun hat. Und dem entkommt man auch nicht mehr. Wenn ich auf einer leeren Straße in Richtung Iran durch eine pastellfarbene Landschaft fahre, sagt ein ganz schlimmer Teil meines Kopfes mir auch, dass jetzt der perfekte Moment wäre für ein Bild, um der Welt mitzuteilen wie interessant Ich und mein Leben sind. Bisschen vom Thema angekommen jetzt vielleicht nur nochmal kurz. Ich wirklich ehrlich davon überzeugt bin, dass es uns allen ohne (oder zumindest auf ein Minimum reduziertes) an sozialen Medien um Längen besser gehen würde. 

Um diese These zu bestätigen, ein Gegenbeispiel. Sobald wir in eine Stadt kommen werden wir gnadenlos zurückgeworfen. Wenn ein Hotspot und ein Iced Latte in Griffweite sind beginnen Gespräche über den Blog, den leider immer noch existierenden Instagram Account und unser Packvolumen. Das kombiniert mit jeglicher Art von Spielen bei dem mindestens eine Person verlieren kann und wir steuern auf die nächste mittelschwere Sinnkrise. Dann doch lieber wieder zurück ins Zelt.

Viel zu selten gehen wir zelten – https://www.youtube.com/watch?v=G7va7CNri80.

Nichtdestotrotz machen wir Strecke. Erstaunlich viel Strecke sogar. Juri tuckert über leere Straßen geduldig weiter Richtung Osten. Während ich jetzt gerade im Auto sitze geht nicht nur die Sonne langsam unter, sondern der Ararat wir hoffentlich bald sichtbar. Damit sind wir dann auf demselben Längengrad wie Bagdad. Leider sind wir damit auch ein Stück weit in einer Sackgasse, da wir hier mehr oder weniger nur mit geschlossenen oder nur mit extremen Aufwand passierbaren Grenzen konfrontiert sind. Armenien – geschlossen. Iran – passierbar (aber nur mit Papieren die wir nicht haben). Irak – geschlossen. Syrien – geschlossen. Und das soll jetzt keine studentische Selbstdarstellungsaussage werden – Grenzen finde ich ja generell doof – sondern noch viel unqualifizierter. Krieg ist scheiße.