Pandemie, halbfertige Bachelorabschlüsse (die aber wirklich bald fertig werden, Mutti, versprochen) und dann auch noch verliebt in 45 PS aus '93. Eine, in Kennerkreisen als Glücksschuss bekannte, 700€ Kleinanzeigenanschaffung in Rot. In dieser emotionalen Mischpoke gibt nur eines Halt - IN FORD WE TRUST - egal ob Bosnien, Spanien oder Wernigerode.
Während die Welt eine, in den Achtzigern schon unbeliebte, und schlecht gealterte Kassette einlegt, mit Abtreibungsverbot in den USA, einer scheinbaren Neuauflage des kalten Krieges, innereuropäischen Grenzkontrollen und Bahntickets für 9€, steigen auch wir in die Zeitmaschine. Ein Ford aus Halle, der älter ist als seine Fahrer. Erasmusbewegt starten wir aus Spanien und lassen französische und italienische Touristrände hinter uns. Mit der Fähre über Nacht nach Griechenland, bei einem kurzen Stop den Mund am Gyrosspieß verbrennen, und weiter Richtung Istanbul. Hier wartet sehnsüchtig Jonathan, der es vor lauter euphorischen Schlafmangel (danke EU), gar nicht abwarten kann. Ein bisschen Touriprogramm, dann weiter Richtung Osten (Always). Mindestens bis nach Gaziantep. Vielleicht nach Georgien, mal schauen. Liebe ehemaligen Erziehungsberechtigten, keine Sorge, Juri sagt er packt das.
Überhaupt, Vorurteil Nummer Eins von Familie, Freund:innen und absolut Fremden: Das schafft, diese Fiesta eines Autos, doch nie ("Höhö Ford FIASKO"). Der spanische Mechaniker, der uns kurz vor Abfahrt ziemlich sicher abgezockt hat, meinte, todo bien, alles gut. Hoffnung. Unser Fiesta, liebevoll Juri getauft, nach Weltraumpionier und Erfurter Ringstraßenheld Juri Gagarin, hat schon einiges geschafft. Genau wie sein Namenspatron war auch er schon auf Welttour, hat ungarische Seen umrundet und uns zur letzten Bratwurst vor Amerika gebracht. Flensburg, Schwarzwald, Berlin – Juri kennt sich auch im deutschen Autobahnnetz aus, und braucht nicht mal eine Geschwindigkeitsbegrenzung, denn bei Tempo 130 windet sich das Lenkrad quasi von selbst aus der Halterung. Da würde auch guter E-Fuel aus Chile nix helfen. Take that, Ulf Poschardt.
„Supernatural, supranational love, UNITED STATES OF EUROPE“. Brutzeleuropäer Jan Böhmermann hat es schon vor zwei Jahren gesungen. Aber das mit Europa, wissen wir alle, ist eine komplizierte Sache. Aufrichtig überzeugte, zumeist dann doch westeuropäische Akademiker:innen, ziehen pflichtbewusst patriotisch alle vier Jahre den knallblauen und überaus geschmacksabhängigen Europa-Pulli an. Dann wird kollektiv gewartet, bis endlich der Götterfunken überspringt. Mit Krieg im Osten und einem ‚schwierigen‘ Ex im Westen, sind die Konflikt dazwischen das neue Normal. Nix mit United States of Europe! Generell wissen wir immer zu wenig, über Europa, den Streit und seine Gründe.
Mit aufgefülltem Kühlwasser und gerade noch so grüner Plakette, sagen wir dieser Unwissenheit nun den Kampf an, und wagen mehr Europa! Im Geiste der Völkerfreundschaft fahren wir los, bis uns jemand vom Gegenteil überzeugt.
Nach einem Studium der Internationalen Beziehungen begeben wir uns auf die Suche nach der Antwort auf die Dauerbrennerfrage, ob aus poststrukturalistischer Perspektive die europäische Narration in Zeiten chronisch überlasteter Supply- und Blockchains bestand hat. Oder für die Nichtakademiker – wtf sind „Internationalen Beziehung“ und ist das noch Realität oder kann das weg?
Auf Juri93.de wollen wir erzählen was wir erleben, wen wir treffen, wie wir klarkommen und wo es den besten Kebab der Türkei gibt. Stilistisch zwischen Grand Tour und Kafka, Richard David Prechts (allwissender Intelligenz) und der sympathischen Olli Schulz-Cholerik, einem Hauch Leidenschaft von Michael Wendler und Harry Styles und einer angemessenen Portion Selbstüberschätzung á la Karl Ess und Arno Dübel. Mit Bild, Ton und Texten, vielleicht mal ironisch ernst, Tendenz wohl eher albern – wir nehmen uns viel und gleichzeitig gar nichts vor. Kann sein, dass wir am Ende ein 800-Seiten Buch veröffentlichen oder mit 12 Klicks den YouTube Account wieder stilllegen. Anyway, wir freuen uns, wenn du mitliest.
Die fahrende Außenstelle Kliemannsland wünscht viele Grüße nach Meißen und den Rest der Welt. Bis bald, Gut Kick und Freundschaft.